Kata


Das Studium der Kata steht im Zentrum unseres Trainings. Kata? Was ist das eigentlich?

 

Das Wort „Kata“ kann mit Form übersetzt werden. Die Bezeichnung Kata ist erst in Japan verwendet worden. Auf Okinawa – dem Ursprungsland des Karate - sprach man von „Shurui“, von „den Arten oder Gattungen des Karate“1 und somit erst später von den Formen. Was versteht man aber unter einer Form im Karate?

 

Zunächst einmal ist eine Kata nichts anderes als eine festgelegte Abfolge von Bewegungen. Von Beginn an haben menschliche Kulturen Wege gesucht, ihr Wissen über die Welt an spätere Generationen weiterzugeben. So haben afrikanische Stämme bestimmte Jagdtechniken durch ein Tanzritual verschlüsselt, um diese Techniken ins kulturelle Gedächtnis zu rufen. So konnten sie wichtige Informationen für nachfolgende Generationen bewahren. Auch die Kata ist ein solches Mittel, um Kenntnisse zu speichern und weiterzugeben. Welcher Art ist diese Information und was ist in ihr enthalten? Eine kleine Geschichte mag vielleicht veranschaulichen, was man sich unter einer Kata vorzustellen hat:

 

Die Kata Chinto (ein anderer Name dafür ist Gankaku) ist nach einem Chinesen benannt, der im 19. Jahrhundert Schiffbruch erlitt vor der Küste Okinawas, fortan in einer Höhle hauste und sich das nötige Essen aus der Umgebung irgendwie zusammenklaute. Ein solches Verhalten war nicht äußerst beliebt und so entsandte der König Okinawas, als ihm dies zu Ohren kam, Sokon Matsumura – seinen Bodyguard und fähigsten Karatemeister – um einmal nach dem Rechten zu schauen . Matsumura war ein herausragender Kämpfer, der seine Gegner mit Leichtigkeit zu besiegen verstand. Er war aber durchaus überrascht, als ihm mit dem Chinesen Chinto plötzlich ein gleichwertiger Gegner gegenüberstand. Beeindruckt von dessen Kampfstil bat Matsumura ihn, diesen Stil ihm beizubringen. Als Chinto eines Tages aber nach China zurückkehrte, entwickelte Matsumura auf der Grundlage dessen, was Chinto ihm beigebracht hatte, eine Kata und nannte sie Chinto. Auf diese Weise wollte er das, was Chinto ihm beigebracht hatte, nicht vergessen und bewahren. Viele andere Kata wurden ebenso von einem Schüler entwickelt, um eine Gedächtnisstütze zu haben. Belegt ist dies neben zahlreichen anderen auch für die Kata Kushanku (Kanku) und Wanshu (Enpi), die gleichermaßen nach dem chinesischen Lehrer benannt wurden.

 

Jetzt wird schon deutlicher, was uns eine Kata vermitteln will. Die Informationen, die sie enthält, sind die hocheffektiven Kampfmethoden eines Individuums, des Schöpfers dieser Kata. Die Kata enthält die Grundprinzipien dieses Kampfsystems. Jede Bewegung der Kata gibt dem heutigen Karate-ka einen Ansatzpunkt dafür, wie der Karatestil eines Karatemeisters vor 200 Jahren ausgesehen hat oder zumindest ausgesehen haben könnte.

 

Die Kata, die wir in unserem Verein trainieren sind die Kata des Shotokan. Gichin Funakoshi – Botschafter des modernen Karate-Do und verantwortlich für seine Verbreitung in Japan – fasste 15 Kata zusammen, die für ihn das Grundgerüst seines Lehrplans bilden: Heian Shodan bis Godan, Tekki Shodan bis Sandan, Bassai, Kanku, Jitte, Hangetsu, Enpi, Gankaku, und Jion. Die Kata Heian Shodan bis Godan sind Kata, die für Kinder entwickelt wurden, um Karate an den Schulen zu unterrichten, haben somit eine Sonderstellung. Aber die übrigen Kata lassen sich im Prinzip jeweils auf einen Kampfstil zurückführen. Somit ist Karate, eine Mischung aus verschiedenen Kampfstilen (Cross-Training).

 

Auch wenn eine moderne Stilrichtung wie das Shotokan 26 Kata enthält, die man ab einem bestimmten Schwarzgurt zu beherrschen hat, darf man sich nicht täuschen lassen. Ursprünglich ist eine Kata ein Karatestil und um allein diesen Stil ausreichend zu trainieren, bedurfte es eines immensen Zeitaufwandes. Ein Karatemeister vergangener Tage beherrschte oftmals nur eine einzige Kata oder geringfügig mehr. In unserem Dojo trainieren wir natürlich nicht nur eine Kata, sondern ein paar mehr sind es schon. Der gegebene Zeitaufwand von 2-3 Mal Training pro Woche erlaubt es aber nicht, eine Kata in der Tiefe ausreichend zu lernen.

 

Um ein effektiver Kampfkünstler zu werden, braucht man freilich keine Kata, sie ist aber historisch gesehen die Basis und die Quelle unserer Kampfkunst Karate und enthält in sich alles, was man braucht, um ökonomisch  kämpfen und sich verteidigen zu können.

Was es heißt, eine Kata zu verstehen, kann man im Kapitel Bunkai auf unserer Homepage nachlesen.

 

 

 

1) Henning Wittwer: Die Kata im Shotokan-Ryu, in: Shotokan: überlieferte Texte – historische Untersuchungen, 2007; S. 114-129

2) Vgl.  "Kata: Why bother?" von Iain Abernethy, dem dieser Text hier teilweise verpflichtet ist)